Halb voll oder halb leer?

Sehr geehrter Klaus Krauthan,

in meiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied und meinem persönlichem Interesse an allem, was so in allen Bereichen des American Football in Deutschland passiert, veröffentlicht und gepostet wird, möchte ich einige persönliche Anmerkungen zu den Veröffentlichungen aus Deiner Feder machen:

Ist es für unseren Sport hilfreich, überall die Schwierigkeiten und Probleme, die Sportvereine im allgemeinen und Football im besonderen, darzustellen? Ich bin hier anderer Ansicht. Sollten wir alle unseren faszinierenden Sport in ein positives Licht stellen (ohne dabei die Wahrheit zu "verbiegen")? Um mein Ansinnen deutlich zu machen, möchte ich einfach ein paar Beispiele nennen, die mir besonders aufgefallen sind:

In einem Saisonheft wurde die Problematik der Jugendarbeit dargestellt. Unter anderem wurde die Aufwendungen für die Ausrüstungen als Hinderungsgrund genannt, und wie einfach dazu im Gegensatz z.B. Streetbasketball, weil ohne Ausrüstung und überall zu spielen ist. Sollte dies eine Aufforderung sein, Basketball zu spielen? Wenn schon dieser, zugegeben, heikle Punkt angeführt wird, hätte ich die ungleich höheren Kosten für einen Eishockeyspieler erwähnt, denn hier schneiden wir besser ab. Und wenn schon Basketball, dann sollte dies zum Vergleich für Flag-Football herangezogen werden, das ja ebenfalls mit einfachsten Mitteln betrieben werden kann.

Die häufig antreffende Tendenz zur Untergangsstimmung ist es doch, die keinen Außenstehenden veranlassen kann, sich unserer geliebten Sportart zuzuwenden.

Dazu gehört vor allem der Kommentar in der aktuellen "Quicksilver": Hier werden vor allem die scheinbaren(!) Nachteile aufgeführt, ohne die offensichtlichen Vorteile zu erkennen. Darf ich daher einmal die Verhalte aus meiner/unserer Sicht aufführen?

Die Kürze der Saison bezieht sich nur auf den Zeitablauf. Die Anzahl der Spiele bleibt die gleiche. Das erste Spiel beginnt am Wochenende 2./3. Juni 2001, das letzte (German Bowl) ca. Mitte Oktober. Ein Team, das an den Playoffs teilnimmt hat eine Saisondauer von ca. 3 1/2 Monaten. Wer noch weiter kommt, 4 Monate. Wenn man die NFL oder NFLE zum Vergleich heranzieht, hat die NFLE eine kürzere, die NFLE eine etwas längere Saison. Das vorgesehene Zeitfenster ist außerdem optimal gewählt. Denn die größere Medienpräsenz der NFLE überschneidet sich mit dem Beginn der GFL-Saison. Für den am Spitzenfootball Interessierten ist also ein nahtloser Übergang gegeben. Ein weiterer Punkt ist die lokale Presse, Fernsehen, Funk. Denn Ende Mai ist die Fußballsaison zuende. Und vorher, während der entscheidenden Phase der 1. und 2. Bundesliga (Meister, Auf- /Abstieg) ist DORT das geballte Medieninteresse zu finden.
Aus dieser Sicht füllt die (immerhin zweitgrößte Stadiensportart in Deutschland!) die richtige Lücke! Es ist sicher die Aufgabe der einzelnen Vereine, daraus entsprechend Kapital zu schlagen.
Wer die letzten Jahre verfolgt hat, wie zerrissen der Spielplan war, muß feststellen, daß die Tabellensituation für einen Außenstehenden erst am Ende der Regular Season übersichtlich war. Wir selbst hatten Pausen von bis zu 4 Wochen, dann 2 Heimspiele hintereinander, dann innerhalb von einer Woche das Hin- und Rückspiel gegen den gleichen Gegner. Daher ist es eben das Ziel, im optimalen Falle JEDE Woche zu spielen, und -wie es sich gehört- in einem bestimmten Rhythmus seine Heimspiel durchzuführen. Im Falle der Scorpions, wird dies wohl möglich sein. Wegen der Europameisterschaften ist wohl dazwischen ein spielfreies Wochenende einbezogen - wie in anderen Sportarten üblich.
Zusammenfassend über den Zeitraum der Präsenz ist also zu sagen, daß die Saison nicht ZWEI, sondern im Regelfall mindestens 3 1/2 Monate dauert. Dazu kommen natürlich die Pre-Season games. Dafür ist ein weiterer Monat (hier Mai) zu veranschlagen. Wenn die Pressearbeit -wie im Falle Scorpions- permanent betrieben wird, gehen wir von einer aktiven Medienpräsenz für die 1.Mannschaft ab April aus. Denn spätestens(!) dann kommen die Medienvertreter auf uns(!) zu, um zu hören, was es denn neues gibt. Von einem Lückenfüller für Fußball kann daher nicht die Rede sein. Aus der Einsicht heraus, daß die Liga, in unserem Falle GFL, für den deutschen Football entsprechend Vorrang hat, wurde von den Vereinen, die sich a) sportlich qualifiziert haben und b) durchaus über die Mittel verfügen, zugunsten dieser gewünschten Transparenz sogar auf die Teilnahme am Eurobowl verzichtet. Hier geht es neben der Möglichkeit, wie in den vergangenen Jahren, zumindest das Endspiel zu erreichen, auch um den Verzicht von Einnahmen aus den entsprechenden Spielen. Von Sparen kann in diesen Fällen also nicht unbedingt gesprochen werden.
Auch das Thema "Segel streichen" ist aktuell aus meiner Sicht neu zu bewerten. Denn das Lizenzierungsverfahren, wie es dieses Jahr erstmals durchgeführt wird, ist DER Schritt, um die Spreu vom Weizen bereits frühzeitig zu trennen. Selbstverständlich ist dies keine Gewähr für absolute Sicherheit, gibt allerdings der Lizenzierungskommission die Möglichkeit, einen Standart zu setzen. Es scheint auch der Öffentlichkeit gerne zu entgehen, daß bei nicht vollständigen Erreichen von einzelnen vorgegebenen Kriterien (Jugendarbeit, Stadion, schwebende Insolvenzverfahren und anderes) die Lizenz durchaus gegen Auflagen erteilt werden KANN. Auch hier gibt es im Profi-Fußball Parallelen.

Alles in allem ist aus Sicht eines beteiligten Vereins diese neue Struktur durchaus positiv zu sehen. Doch, diese Frage ist berechtigt, wo bleibt denn der Zuschauer? Wir dürfen uns hier nichts vormachen. So aufregend und faszinierend unser Sport ist, das allein tut es in unserer Freizeitgesellschaft nicht mehr. Um jemand am Samstagabend für 4 Stunden irgendwohin zu lotsen, muß mehr geboten werden! Wer einmal bei einem Spiel in Braunschweig (oder am German Bowl) beteiligt oder dabei war, kann sich eine Vorstellung davon machen, was gemeint ist: pures Entertainment! Das gleiche Phänomen gilt auch -und hier besonders- für die NFLE. Am Beispiel Galaxy ist zu sehen, daß trotz der vielen verlorenen Spiele in der vergangenen Saison dies keinen Abbruch an der Zuschauerresonanz getan hat. Warum? Sind die über 30.000 Zuschauer alles Hardcore-Fans? Nein, sondern einfach Leute, denen ein Event von offensichtlich hohem Unterhaltungswert geboten wird. Die es wert finden, Zeit(!) und Geld zu investieren, und dies als lohnend betrachten. Dieses Defizit gilt es zu beseitigen. Und zwar zielgruppenorientiert. Daß dabei der Hardcore-Fan darunter leidet, ist nicht neu, hilft uns aber nichts, da diese Gruppe zu klein ist. Denn sonst hätten (bitte nur als Beispiel zu nehmen!) eigentlich bei unseren Heimspielen die meisten Silver Arrows, Holzgerlingen Twister und andere Footballer, und deren Anhang sich bei uns einfinden müssen, um zumindest die Spitzenspiele zu sehen (München, Köln oder das entscheidende Spiel um den Heim-Playoff - Vorteil gegen Rüsselsheim). Dies ist nicht geschehen. Aber wie oft sind von Euch Spieler zur Galaxy gefahren? Bestimmt nicht wegen des statischen Spiels von manipulierten Teams. Hier wird in der GFL sicher interessanterer Football geboten, mit Spielern, die immerhin noch weitgehend aus der Region kommen. Also warum nicht? Ich gehe mal nicht davon aus, daß dies nur aus Antipathie gegen das große Team aus der Region geschah :), sondern weil sie "was besseres" vorhatten!
Was die Fernsehpräsenz betrifft, so ist allgemein noch nicht alles Gold, was glänzt. Dem muß man zustimmen. Da hilft es auch nicht, daß nach aktuellen Mediadaten die Scorpions zum Beispiel der Verein mit der zweitgrößten Anzahl von Fernsehkontakten in der GFL dastehen (und schon haben die Scorpions - trotz des bedauerlichen allgemeinen Zustands in diesem Bereich eine positive Meldung!). Allerdings hat dies wieder mit professionellen Darstellung unseres Sports, der Finanzierung der Produktionen zu tun. Eben dazu wurde AK Marketing innerhalb des BL-Ausschusses installiert. Hier wird ein Ligasponsor gesucht, der AUSSCHLIESSLICH die Finanzen für eine professionelle Medienpräsenz bereitstellen soll! Wer weiß, daß allein die Produktion EINES Spielberichts und/oder Magazins im TV-Bereich sich im fünfstelligen Bereich bewegt, kann sich vorstellen, welche Gelder generiert werden müssen, um alle 12 Vereine zu bedienen. Auf der anderes Seite ist dies einer der notwendigen Schritte, um Zuschauer zu aktivieren, sich ein Footballspiel anzusehen. Wenn dies erreicht wird, profitieren davon auch Mannschaften in den unteren Ligen. Es ist allerdings hier - wie in der GFL - notwendig, daß endlich auf der Ebene des Managements auch dort gemeinsame Strategien gefunden werden müssen. Dazu gehört natürlich eine terminlich übersichtlich Liga und die Gewähr, daß die Spiele auch stattfinden. Ich bin auch der Meinung, daß die Jugendbundesliga ein entscheidender Schritt nach vorne ist. Um hier wieder das Beispiel Scorpions zu nehmen: Erstens waren wir im letzten Jahr aus verschiedenen Gründen gegen die Jugendbundesliga. Wir waren, zumindest in BaWü die EINZIGEN, die sich auch noch offen gegenüber dem AFVD in einem 3-seitigen Fax mit ausführlichen Begründungen dazu geäußert haben. Wir konnten uns das leisten, denn immerhin standen wir '99 im Junior Bowl. Zweitens wurde anläßlich der Sitzungen, die damit zusammenhingen, ausgeführt, daß in Baden Württemberg eine STARKE Jugendliga existieren würde.
Dies hat nicht zugetroffen. Aus Sicht der Scorpions sind wir - mit 20 Anfängern im Team! - problemlos BaWü-Meister geworden, haben auch noch den bayrischen Jugendmeister geschlagen, und sind dann am ersten RICHTIGEN Gegner deutlich gescheitert. Da es immer unser Ziel ist, dem höchsten Standart zu entsprechen, MUSSTE unsere Entscheidung jetzt pro Jugendbundesliga fallen, wenn wir uns sportlich weiterentwickeln wollen. Da es in verschiedenen Landesverbänden ähnliche Konstellationen gibt (Darmstadt, Düsseldorf, NFA Monarchs, Berlin, Hamburg) macht es doch wirklich Sinn, daß diese Teams gegeneinander spielen. Hier muß man sicher mit mehr Niederlagen rechnen, auch ein vorderer Platz am Ende ist schwer zu erreichen. Aber der Vorteil liegt eben darin, daß diese Jugendspieler leichter an den Seniorenkader herangeführt werden können. Dies bedeutet für die Scorpions im speziellen: GFL - taugliche Spieler selbst heranzuziehen. Der erhebliche finanzielle Aufwand wird Früchte tragen, dies haben die letzten Jahre gezeigt.
Übrigens wird die Jugendbundesliga nicht vor "kurzer" Dauer sein. Es ist wohl vorgesehen, die Playoffs nach den Ferien zu spielen. Aber wenn nicht? Warum kann UNSER Landesverband eigentlich keinen Pokal oder ähnliches im Herbst installieren? Denn in der Vergangenheit war doch -außer für den jeweiligen Meister- schon vor den Sommerferien die Saison zuende! Was Jugendspieler brauchen, ist Spielpraxis. Daher verwundert mich seit langem, daß es keinen "Spielbetrieb" im Herbst gibt. Liegt es am Verband? An den Vereinen? Ich weiß es nicht, allerdings kann ich hier nur Erich Kästner zitieren: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es" Bleiben wir doch mal im Jugendbereich (für uns Scorpions ein fundamentaler Punkt).Um ausdrücklich MEINE GANZ PERSÖNLICHE!!!!!!! Meinung zum Thema Jugendauswahl auszudrücken: Eben weil es keinen vernünftigen Spielbetrieb/Wettbewerb im Jugendbereich gibt, ist der Erfolg dieser Auswahlmannschaft ständig rückläufig. Allein die teilnehmenden Spieler spiegeln für mich den eher sozialen Charakter dieses Unternehmens wider. Es werden Spieler nominiert, die Minorleague spielen, also keinerlei Erfahrung mit einer 11-er Formation haben. Damit wird die Unfähigkeit der Vereine, sich um den Nachwuchs zu kümmern auch noch sanktioniert. Auch -meine Beobachtung beim Vorbereitungsturnier- die Tatsache, daß jeder mal spielen darf, hat in meinen Augen keinen Sportcharakter, sondern eben eine soziale Komponente. Ein Auswahlspieler hat seine Qualifikation MITZUBRINGEN! Und diese sollte er objektiv unter Beweis stellen, indem Vorgaben über seine athletischen Fähigkeiten (positionsbezogen) zu erfüllen hat. Wer dies nicht mitbringt, braucht gar nicht erst zu kommen. Das Wort "Auswahl" sagt doch schon, daß es sich um die Elite handeln sollte, oder nicht? Aber ich habe abgeschweift, bei der Jugend, geht mir manchmal der Gaul durch, wenn ich sehe, wie hier versaubeutelt wird.

Tja, lieber Klaus Krauthan, ich bitte Dich, im Interesse UNSERER Sportart, aber auch in ganz eigenem der Scorpions: Mach uns alle nicht kleiner als wir sind. Hör auf, alles mit negativem Unterton zu begleiten. Überleg' Dir bei jedem Satz, den Du öffentlich schreibst: wie soll er wirken? Wenn Spieler, Zuschauer und Interessierte dies lesen, sollen sie animiert oder deprimiert werden?

Hört sich alles bierernst an, oder? Ist es auch, weil es hier darum geht, wirklich eine Menge Geld zu bewegen. Anders bei den Aktiven (zumindest bei unseren Teams) Sie sollen optimal betreut werden UND Spaß haben. Der kommt bei uns nicht zu kurz. Allerdings alles zu seiner Zeit. Frag doch mal bei unseren Jugendspielern oder gerade langjährigen Aktiven überhaupt mal nach. Ohne einen Spaßfaktor würde es doch kein Mensch auf sich nehmen, 2 bis 3mal die Woche sich einem anstrengenden Training zu unterziehen. Und die Eitelkeit nicht zu vergessen: Im Mittelpunkt eines wachsenden Interesses zu stehen, Autogramme zu geben, sich mit den Spitzen seiner Sportart (von denen andere nur Berichte sehen oder lesen) zu messen und denen direkt mal ein Schnippchen zu schlagen, im Fernsehen, Videotext, div. Zeitungen Berichte über DAS Team zu sehen, dem man selbst -womöglich als Starter- angehört. Und die Party nach dem Spiel, ob heim oder auswärts kommt auch nicht zu kurz.

Noch eine Anmerkung anderer Art: Ich habe in unserem E-Mail - Verteiler für die Cheerleader-Meisterschaften geworben. Die Pressemappe hat leider nicht den Ort und die Zeit der Veranstaltung mitgeteilt. Zufällig habe ich die Daten dann aus dem Gästebuch übernommen. Wie mir gleich unser Pressesprecher mailte, unterscheiden die sich von denen auf der offiziellen Homepage. Immerhin, durch die Korrekturmeldung wurde ein zweiter Hinweis an unsere Aktiven gegeben. Jedoch -jetzt verbreite ich mal Pessimismus- werden die Herren aufgrund des fortgeführten Trainings wegen des Hallenturniers und unseres Spiels in Frankreich, sich dieses Wochenende wohl mal ganz privaten Dingen widmen. Ich würde mich freuen, wenn es anders wäre...

Ich werde mich auf jeden Fall einfinden und den sicher tollen Darbietungen der Aktricen zusehen.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Mecherlein
Vize-Präsident Sport
ASC Stuttgart Scorpions